KEIN REISEBERICHT
SONDERN NUR WENIGE
SEHR SUBJEKTIVE BILDER
EINER FAHRT NACH BULGARIEN
ANS SCHWARZE MEER.
HIER VERBINDEN SICH DIE
TRISTESSE DES SOZIALISMUS
UND DIE GIER DES KAPITALISMUS
- EINE UNSELIGE ALLIANZ
DER LIEBLOSIGKEIT UND
DES VERFALLS
- MIT EINIGEN LICHTBLICKEN
Anlass der Reise nach Bulgarien war die Einladung meines ältesten Freundes aus frühesten Kindertagen. Er und seine Frau hatten uns für ein paar Tage in ihr Haus nach Obzor eingeladen. Flug Düsseldorf – Sofia. Die Stadt heben wir uns für den Rückweg auf. Wir starten vom Flughafen gleich mit dem Leihwagen in Richtung Süden. Das Kloster Rila ist unser erstes Etappenziel. Ein beeindruckendes Bauwerk. Ich liebe Hofanlagen – und Klostergärten und Höfe besonders. Alles Leben wendet sich nach innen. Erste Erkundung und eine Fülle romantischer Fotos, von denen es nur wenige in diesen Bildband geschafft haben. Zu schön, denn die Reise wurde angesichts des Schwarzen Meeres immer schwermütiger. Mit jedem Tag werden die Spuren des untergegangenen Sozialismus deutlicher. Tristesse. Verlassenheit. Lieblosigkeit. Es ist nicht die Armut. Im Gegenteil. Die Fischer im kleinen Hafen von Byala zum Beispiel: Ihre Hütten, Boote, Stege - ein anregende Assemblage von Materialien, Fundstücken, Resten, Schrott. Zweckentfremdet. Wiederverwendet. Zum siebten Mal repariert. Erfindungsreich zusammengesetzt. Und kleine Orte der Geselligkeit. Ein hartes Leben. Aber ein Leben. Umso schrecklicher die Ruinen, die uns an der Schwarzmeerküste begegnen. Tote, seit Jahren verfallende Fabriken. Brachflächen. Lauter umzäunte Grundstücke am Meer. Tore roh zusammengeschweißt mit dem obligatorischen Sonnenauf- oder wohl besser Untergang. Dahinter völlig vernachlässigte Gebäude - bis heute Ferienlager für die Jugend Bulgariens. Früher traf sich hier der gesamte Osten, inklusive DDR. Das Ganze aufgemischt vom Kapitalismus, der in den zwei Jahrzehnten mehr zerstört als aufgebaut hat. Ruinen von riesigen Hotels und Wohnanlagen. Großes und kleines Kapital, das die Krise hinweggerafft hat. All das hat meinen Blick getrübt. Black Sea. Blues. Die starke Schwarz- und Blautönung entspricht dieser Stimmung am besten. Sie zieht sich durch alle Bilder, unterbrochen nur von den Lichtblicken in den Städten, die wir erleben konnten. Plovdiv, Varna, Sofia. Und zwischendurch Dörfer und Landschaften, die hier nicht vorkommen. Vielleicht würden sie zu sehr von dieser alles einhüllenden Melancholie ablenken, die sich vielleicht gerade in dieser Jahreszeit entfaltet. Der Sommer ging zu Ende. Die Wolken nehmen von Tag zu Tag zu. Graue Tage am Schwarzen Meer – das hört sich schon nicht gut an. Die Feriensaison ist offensichtlich zu Ende. Die Restaurants kämpfen um die letzten Touristen mit überdrehten Lautsprechern und Lichtstrahlern. Vielleicht ist es sonst ja ganz anders. Oder in ein paar Jahren, wenn sich Europa hier von einer besseren Seite zeigt: Dann mache ich lauter farbenfrohe Bilder von fröhlichen Menschen in blühenden Landschaften.
Walter Ackers Sept. 2012